Der Bundesrat will die Abkommen mit Brüssel dem fakultativen und nicht dem obligatorischen Referendum unterstellen.
Bei der Schaffung des Bundesstaats im Jahr 1848 wollten die Kantone nach den Erfahrungen mit der Helvetischen Republik sichergehen, dass es nicht ein weiteres Mal über ihren Kopf hinweg zu einer zentralistischen Verfassung käme, weshalb ein zweikammriges Parlament das neben der Kantonsvertretung (Ständemehr) auch eine Stimme des Volkes (Volksmehr) eingerichtet wurde. Auf diese Weise sollte dem Prinzip des Föderalismus Rechnung getragen werden.
Das Ständemehr mag Sinn machen, wo es bei einer Abstimmung um unterschiedliche Auswirkungen auf die Regionen geht. Bei den EU-Verträgen ist dies nicht der Fall, Vor- und Nachteile wirken sich auf unser ganzes Land aus.
Als Stimmberechtigter eines einwohnerstarken Kantons liegt mir das Volksmehr allerdings näher als das Ständemehr. Warum?
In einer Demokratie hat jeder Stimmberechtigte 1 Stimme. Das garantiert, dass es für einen Volksentscheid eine Mehrheit der Stimmberechtigten braucht und es somit ausgeschlossen ist, dass eine Minderheit die Mehrheit drangsaliert.
Das Ständemehr höhlt in diesem Fall unsere Demokratie aus. So sind z.B. die rund 80'000 Stimmberechtigten des Kantons Zug mit den rund 950'000 Zürcher Stimmberechtigten gleichgestellt. Ist das unsere Demokratie? Mich erinnert das an zweifelhafte Diktaturen, die Abstimmungen so gestalten, dass sie immer siegreich sind und sich damit brüsten können.
Ausgerechnet die SVP und die Initiatoren der Kompass-Initiative wehren sich gegen einen Entscheid des Volkes, der möglicherweise nicht in ihrem Sinne ist, nur um ihren Willen besser abzusichern. Das ist für mich und alle die an die Schweiz und ihre Demokratie glauben, eine herbe Enttäuschung.
Ausgerechnet die SVP und die Initiatoren der Kompass-Initiative versuchen die Schweizer Demokratie für ihre Zwecke zu manipulieren.
Dem Bundesrat kann für diesen frühen und richtigen Entscheid nur gratuliert werden!
Paul Studer, Oetwil an der Limmat